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Unser bindungsorientiertes Abstillen - 365 Tage später…

Warum ist es mir so wichtig, diese Reise zu dokumentieren? Diese Frage habe ich mir in den letzten Tagen öfter gestellt und nach einigem Überlegen habe ich tatsächlich auch meine Antwort gefunden:


Das Abstillen, vor allem das bindungsorientierte Abstillen von älteren Kleinkindern, ist hierzulande häufig mit dem Rat belegt „Fahr mal ein Wochenende weg, dann stillt XY sich schon ab“ oder „Schmier dir Senf auf die Brustwarzen, dann hört’s schon auf zu trinken“. Doch das Abstillen ist so viel mehr als einfach nicht mehr zu stillen. Für viele Kinder ist Stillen mehr als nur Nahrungsaufnahme. Die Brust kann auch ein Ort der Ruhe und Entspannung sein, Kinder können sich durch das Saugen und den Körperkontakt regulieren und er vermittelt Sicherheit. Dazu konnte ich nirgends nachlesen, wie es ist, wenn ein älteres Kind bindungsorientiert abgestillt wird. Warum wird darüber so wenig öffentlich gesprochen?

Ich empfinde unsere Reise als sehr intensiv und tiefgreifend. Und so möchte ich anderen Mamas, die Ähnliches vor hat, bei Seite stehen. Ob du nun einen jungen Säugling abstillst oder ein älteres Kleinkind ist ein Unterschied. Was ich noch kurz betonen möchte: Kinder sind individuell und reagieren unterschiedlich im Abstillprozess.


Der Grat euch mitzunehmen, euch diesen Prozess näherzubringen und gleichzeitig die Privatsphäre meines Stillkindes zu wahren, ist ein schmaler. Manche Aspekte werde ich nur anschneiden oder ganz auslassen. Bitte seht es mir nach.


Vor einem Jahr habe ich also meine damals frisch 5-jährige Tochter abgestillt. Die Initiative ging klar von mir aus und den Weg zu dieser Entscheidung und wie meine Tochter reagiert hat, könnt ihr hier nachlesen https://www.bindungswerk-luebeck.de/post/abstillen-unsere-reise.


Mama und Kind gehen spazieren Bindungswerk Lübeck bindungsorientiert Abstillen

Nun ist unser Abstillen genau heute auf den Tag ein Jahr her. Was ist seither passiert? Hat mein Stillkind ihre Stillzeit und ihre Milch vergessen? Wie ist die Beziehung heute? Wie geht es mir damit?


Ist die Milch nun vergessen - frei nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn?


Spoiler: nein.


Was klar eingefordert wird und heute noch sehr wichtig ist: körperliche Nähe. Abends beim Einschlafen wird sich eng an meine Seite gekuschelt und ihre kleine, warme Hand legt sich auf die Milch bzw. meine Brust („Mama, das fühlt sich so schön weich an.“). Da bleibt sie oft liegen, bis meine Tochter eingeschlafen ist. In letzter Zeit passiert es aber auch schon mal, dass sie sich zur Seite dreht und ohne weiteren Kontakt einschlummert. Die Brust ist und bleibt noch ein wichtiger Ort für sie, auch ohne das sie daran trinkt. Für mich ist das okay. Jegliches Fummeln oder Gnibbeln habe ich von Anfang an unterbunden, das mag ich nicht. Aber die Hand drauf legen und mal sanft hin und her streicheln, damit bin ich einverstanden. Meine Tochter hat sich schweren Herzens daran gewöhnt und kann diese Form der Nähe mittlerweile gut annehmen.


Sie hat auch immer mal Phasen - meistens dann, wenn es im Alltag grad stressig ist oder Veränderungen anstehen - da wünscht sie sich, dass sie noch trinken dürfte. Sie sagt das dann auch ganz deutlich. Dann schaut sie sich manchmal das Erinnerungsgeschenk an. In diesem Momenten fühlt sie häufig eine Sehnsucht und möchte in der Zeit zurückreisen, manchmal ist sie voller Erstaunen, dass sie bei mir tatsächlich Milch getrunken hat.

Auf keinen Fall ist es Vergessen und sie erinnert sich immer mal wieder daran zurück.


Kind guckt ins Osterfeuer Bindungswerk Lübeck bindungsorientiert Abstillen

Die liebe Eigenregulation. Was ist denn jetzt damit?


Das Thema Regulation ist hier immer noch präsent. Sie braucht auch mit sechs Jahren weiterhin Unterstützung und ich helfe ihr dabei. Wir haben zusammen Wege gefunden, die für uns beide okay sind. Der Impuls zur Milch zu fassen ist aber immer noch da. Allerdings gibt es das „Milchkuscheln“ jetzt nur noch im Schlaf-Kontext im Familienbett. Zu den anderen Tageszeiten muss normales Kuscheln reichen, was nicht immer so easy für sie ist.

Eines bleibt allerdings das oberste Gebot: Körperkontakt. Ganz viel davon und dann noch mehr. Am liebsten wärs ihr wahrscheinlich, zurück in den Bauch zu krabbeln (oder halt wieder Milch trinken zu dürfen).

Generell habe ich beobachtet, dass sie sich zur Eigenregulation selber Strategien gesucht hat (sie singt zum Beispiel ganz viel), dazu auch viel orale Stimulation. Sie helfen ihr ganz gut (und würde ich ihr am liebsten wieder abgewöhnen bzw. ich habs erfolglos versucht umzulenken), andere Strategien haben wir auch gemeinsam etabliert. Welche genau das sind, darüber darf ich nicht reden. Tatsächlich hat sie ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass viele Kinder in ihrem Alter bestimmte Verhaltensweisen nicht mehr (öffentlich) zeigen. Ihr ist es schlicht unangenehm, wenn ich außerhalb unserer Familie darüber rede. Das sind sozusagen unsere „Schlafzimmerthemen“. Sie kommuniziert hier ganz deutlich, was ich großartig finde und selbstverständlich respektiere.


Kind geht im Strand Lübeck Bindungswerk bindungsorientiert Abstillen

Alles ist in Beziehung.


Ob ich Angst hatte, dass sich an unserer Beziehung etwas ändert? Ganz ehrlich? Irgendwie nicht. Ja, anfangs war ich mit ihrer Wut ziemlich überfordert und wusste nicht, wie ich reagieren und damit umgehen soll. Nachdem ich selbst aber auch kurz emotionale Begleitung in dem Abstillprozess hatte, fühlte ich eine angenehme Sicherheit.


Meine Tochter und ich hatten schon von Geburt an eine ganz andere, viel engere Beziehung zueinander, als ich sie mit meinem Sohn hatte. Was jetzt nicht bedeutet, dass die zu meinem Sohn schlechter ist oder so. Sie ist einfach anders.


Jedenfalls hat sich daran nichts geändert. Im Gegenteil. Ich bin für sie ein noch größerer Anker und Leuchtturm geworden (was auch nicht immer ganz so einfach für sie und mich ist). Ob die Begleitung ihrer Gefühle und das Ernstnehmen derselben eine Rolle spielt? Ganz bestimmt.


Ich denke gerne an die Stillzeiten meiner Kinder zurück - und würde auch bei einem weiteren Kind nichts anders machen wollen. Das ist nicht immer der einfache Weg, für mich fühlt er sich jedoch richtig an.

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