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Von weinenden Babys und Schreibabys

Aktualisiert: 26. März


Baby weinen Symboldbild Begleitung Schreibaby Regulationsstörung

Babys schreien. Es ist DER Kommunikationsweg, um auch wirklich gehört zu werden und eigentlich ist diese „Funktion“ auch überlebenswichtig. Würden sie es nicht tun, liefen sie Gefahr z.B. vergessen zu werden. Doch es gibt Babys, die schreien mehr als andere. Sie scheinen untröstlich zu sein, nichts scheint zu helfen.


Menschliche Babys sind physiologische Frühgeburten und ihnen fehlen eigentlich noch etwa drei Monate Reifezeit im Bauch der Mutter. Da der Mensch sich evolutionär auf die Gehirnentwicklung getrimmt hat, werden die Babys schon nach etwa 40 Schwangerschaftswochen geboren, damit der kindliche Kopf noch durch das mütterliche Becken passt.


Deshalb ist es Babys in den ersten Wochen und Monaten nach der Geburt so wichtig, körperlich nah an den Bindungspersonen zu sein. Ein Ablegen in den ersten 3-6 Lebensmonaten ist von der Natur schlicht nicht vorgesehen.


Daher ist es wichtig zu schauen, wann das Baby schreit. Möchte es die Trennung von der Bindungsperson unterbrechen oder schreit es auch mit Körperkontakt?


Wenn organische Ursachen ausgeschlossen sind und das Kind augenscheinlich keinen „Grund“ hat zu schreien, kommt die sog. 3er-Regel zur Anwendung: die Schreidauer beträgt mind. 3h/Tag, an mind. 3 Tagen/Woche über mind. 3 Wochen. Die Babys schreien untröstlich und reagieren nicht auf Beruhigungshilfen. Meistens treten die episodenartigen Schreianfälle am frühen Abend auf und kommen häufig Hand-in-Hand mit Übermüdung, unregelmäßigem Schlaf-Wach-Rhythmus oder anderen Symptomen.


Doch letztlich sind offizielle Definitionen zweitrangig, denn der Leidensdruck der Familien ist maßgeblich. Und der kann erheblich sein. Wie kann sich das Weinen eines Babys auf die Bindungspersonen auswirken? Es kann zum Überlastungssydrom kommen: die Personen sind erschöpft, haben ein Schlafdefizit und können vielleicht auch nicht mehr so intuitiv reagieren. Dazu kommen Versagensgefühle und Selbstzweifel, weil sie dem Kind offenbar nicht helfen können. Auch Wut auf das Baby konnte beobachtet werden.


Es ist also egal, wie lange und oft ein Baby schreit. Wenn die gesamte Familiensituation darunter leidet, ist es Grund genug zur Sorge sie sollten Unterstützung bekommen

 

Mögliche Ursachen


Die Ursachen für untröstliches Schreien können sehr vielfältig sein. Hast du das Gefühl, dass dein Baby täglich stundenlang schreit und du kannst es nicht trösten, sollte der erste Weg zu deinem Kinderarzt des Vertrauens gehen. Denn untröstliches Schreien kann organische Ursachen haben und die sollten abgeklärt werden.


Beispielsweise können akute, schmerzhafte Erkrankungen, z.B. eine Mittelohrentzündung oder ein Harnwegsinfekt ursächlich sein. Aber auch das KISS-Syndrom oder eine Unverträglichkeit können zu vermehrten Schreien führen. Dazu gibt es noch reichlich andere mögliche Differenzialdiagnosen, die definitiv in medizinische Hände geKind aber gesund, gibt es drei weitere mögliche Ursachen:

➡ Leicht auszulösende Reflexe. Hier reicht z.B. das Klatschen in die Hände aus, um kindliche Reflexe auszulösen (z.B. der Moro-Reflex) und so für viel Unruhe beim Kind zu Sorgen. Hier braucht es häufig ein Nachreifen des Reflexsystems, was i.d.R. nach ca. 6-8 Wochen erfolgt ist.

➡ Unreife des Kindes, weil es bspw. eine Frühgeburt war oder während der Schwangerschaft unterversorgt wurde. Nikotin oder Alkoholmissbrauch in der Schwangerschaft führen i.d.R. auch zu unreifen Babys. Manchmal reicht auch hier „nur“ ein Nachreifen in den ersten Wochen und Monaten.

➡ Es ist eine Temperamentseigenschaft, weil z.B. hochsensible und/oder reizoffene Babys häufig mehr schreien, aber noch keine Schreibabys per Definition sind. Es ist auch möglich, dass das Baby auch „einfach“ einen lauten Charakter hat.

Doch egal warum das Baby untröstlich schreit, die Familien verdienen Unterstützung und Hilfestellung. Denn auch wenn das Baby einfach nur temperamentvoll ist, kann die Aktzeptanz der Situation schwierig sein und die Familien dürfen Hilfe bekommen um Wege für ein Miteinander zu finden.

Manchmal hilft es schon, die Eigenregulationsfähigkeit der Babys zu stärken oder Hilfestellung für ein systemschonendes Handling zu geben, manchmal braucht es eine tiefere Begleitung.

 

Ist das Baby irgendwann auch mal fertig mit schreien?


In den ersten 2-3 Wochen nach der Geburt befinden sich die Familie und das Neugeborene meistens noch in einer kuschligen Babyblase. Nach der harmonischen Anfangszeit beginnt es häufig - das unstillbare Schreien. Als wäre ein Schalter umgelegt worden, ist dieses kleine Baby mit einem Mal untröstbar.


Es gibt reichlich Veröffentlichungen, Untersuchungen und Erhebungen zu allem möglichen, was mit Schreibabys zu tun hat.

Diagramm Schreibaby Schreidauer Schreihöhepunkt Remo Largo

So wurde beobachtet, dass die Schreidauer bei einem Säugling um die 6 Wochen einen Höhepunkt erreicht hat und dann wieder abfällt. Mit etwa 12 bis 14 Wochen pendelt sich die Schreidauer durchschnittlich auf das normale Maß wieder ein. Soweit die Theorie mit Durchschnittswerten (s.a. Slides).


In den ersten drei Lebensmonaten leistet der Säugling unglaubliches. In der Zeit lernt das Baby eigenständig zu Atmen, seine Körperwärme selbst zu regulieren und zu halten, das Herzkreislauf-System zu regulieren, sowie die Nahrungsaufnahme und die Verdauung zu steuern. Das sind enorme Anpassungsaufgaben. Eines fehlt jedoch in der Auflistung: es ist die Verarbeitung von Umweltreizen. Meiner Meinung nach ist das die unberechenbarste Variable in der Gleichung.


Inwiefern ein Kind Reize gut verarbeiten kann oder eben nicht, hängt vom Kind selber ab. Von seinem Wesen, dem Charakter und Temperament. Die meisten Babys beruhigen sich zwischen dem 3. und 4. Lebensmonat und schreien nicht mehr als ihre nicht-schreienden Artgenossen. Weswegen davon auszugehen ist, dass sehr irritable Säuglinge (d.h. das Baby braucht weniger Reize um entsprechend gestresst zu sein) auch über den 4. Lebensmonat hinaus schreien.


Es gibt hier leider keine allgemeingültige Lösung oder Regel. Es ist wie alles, was die Kinder betrifft: individuell.

 

Feinzeichen - woran du erkennst, dass das Baby gestresst ist


Babys können auf unterschiedliche Weise ausdrücken, dass sie ausgeglichen oder gestresst sind. Schreien ist nur Feinzeichen von vielen anderen Zeichen, die auf ein stark gestresstes Baby hinweisen können. Dazu besitzen Babys auch eine ganze Reihe an Selbstregulationsfähigkeiten:


🔴 Hände und Füße in der Körpermitte zusammenbringen, Grimassieren, an sich selbst festhalten (bzw. der Kleidung), Blick abwenden


🟠 Gähnen und blinzeln, sowie eine lockere Faust machen


🟡 Hand zum Mund oder Ohr nehmen, den Blick zur Bindungsperson halten, sich an ihr festhalten

Feinzeichen für Belastetheit können sein:

Baby weint Symbolbild Begleitung Schreibaby marmorierte Haut Weingesicht

🟢 Blick nach unten, mit den Armen rudern, den Blick von der Bindungsperson abwenden / sich wegdrücken, würgen und spucken


🔵 marmorierte oder leicht gerötete Haut, Hände zu Fäusten, Hand zum Gesicht, Weingesicht

🟣 geweitete Augen, grimassieren, starrer Blick

Mit den Feinzeichen kannst du dein Baby „lesen“ lernen und hast die Möglichkeit, frühzeitig zu reagieren. Selbstverständlich gibt es auch Feinzeichen für ein ausgeglichenes Baby: u.a. ein offener Blickkontakt zwischen Bindungsperson und Baby, ein leicht geöffneter Mund, weiche Bewegungen, das Baby brabbelt oder macht Geräusche.


Welche möglichen Lösungswege es für das Schreibaby und seine Familie gibt, um etwa Entspannung in die Situation zu bekommen, ist absolut individuell und bedarf einer genaueren Beobachtung. Daher gehe ich hier auch nicht weiter auf mögliche Lösungen ein. Vielleicht hast du für dich auch schon ein passenden Weg gefunden und dann möchte ich dich nicht irritieren oder verunsichern.

 

Systemschonenendes Handling

Systemschonendes Handling kann Babys helfen, weil z.B. darauf geachtet wird, dass Reflexe nicht unnötig ausgelöst werden.


Der Moro-Reflex spielt hier häufig die Hauptrolle. Der Reflex ist überlebenswichtig, denn dank ihm beginnt das Baby nach der Geburt zu atmen und hilft, die Luftröhre zu öffnen. Er verliert sich ca. mit 3-4 Lebensmonaten.


Ist er bei einem irritablen Baby leicht auszulösen, führt er zu einer komplexen körperlichen Reaktion: spontane Bewegung der oberen Extremität nach hinten, Tonusreaktion im Gesicht, Ausschüttung von Stresshormon, Absinken des Blutzuckerspiegels, Steigen der Herz- und der Atemfrequenz. Bedauerlicherweise ist er durch alle Wahrnehmungsmöglichkeiten (Hören, Sehen, Berührung und Gleichgewicht) auslösbar.

Im Reel auf Instagram zeige ich dir, wie du dein Baby reflexschonend hochnehmen und tragen kannst. Dazu verrate ich dir, was du bei der Auswahl der Kleidung beachten kannst.

Baby Füße Symbolbild Eigenregulation Schreibaby Regulationsstörung

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